Jakobsweg: Camino Frances

Wie ich auf die Idee kam den Jakobsweg zu laufen

Wir schreiben das Jahr 2008. Eine laue Sommernacht, das Lagerfeuer knistert, meine Freunde und ich sitzen darum. Ich erzählte von einer Dokumentation die ich im Fernsehen gesehen hatte. 
Ein Pilger mietete sich einen Esel um damit auf dem Jakobsweg zu laufen, er wurde vom Fernsehteam den ganzen Weg über begleitet. Die gezeigte Landschaft und die Herzlichkeit der vielen Pilger und Einheimischen faszinierten mich.
Spontan beschloss ich an diesem Abend auch einmal den Weg zu gehen, ursprünglich wollten wir alle zusammen laufen. 
Aber wie das Leben so spielt, zog ich erst 11 Jahre später los; und zwar alleine.

 

 

Meine Vorbereitungen

Endlich konnte ich mir etwas Zeit "freischaufeln" und ich bekam meinen dreiwöchigen Urlaub von Mai bis Juni genehmigt. So begann ich im November 2018 mit den Planungen für meine Reise.
Die Entscheidung den Camino Frances zu laufen viel bei mir ziemlich schnell, zum einen war das der Pilgerweg der bei der Reportage mit dem Esel zu sehen war und zum anderen ist er der bekannteste und am meisten begangene Weg. Daraus schloss ich, das eine gute Infrastruktur vorhanden sein musste.
Danach machte ich mich an die Zeitplanung

  • je einen Tag für An- und Abreise
  • zwei Tage Pause während des Weges (z. B. wegen Krankheit oder weil ich etwas länger an einem Ort bleiben möchte)
  • einen Tag in Santiago um die Stadt näher zu erkunden

somit blieben von meinen 21 Tagen Urlaub noch 16 übrig. Ich rechnete das ich im Durchschnitt 25 Kilometer am Tag laufen werden. Also ergab sich eine Strecke von 400 Kilometern. Ich entschied mich als Startpunkt für Leon und das Ende sollte Kap Finisterre sein. Ein gutes Hilfsmittel hierfür war auch mein Reiseführer.
Der nächste Schritt war die Planung der Anreise, ich rechnete verschiedene Anreisemöglichkeit im Bezug auf Zeit und Geld durch und entschied mich dafür mit Iberia von München nach Madrid zu fliegen und anschließend mit dem Zug weiter nach Leon zu fahren.
Dann waren da noch die Gedanken die ich mir zu meinem Gepäck machen musste. Auf vielen Websites las ich von der magischen 10% Grenze. Für mich schien es nahezu unmöglich nur 10% meines Körpergewichts auf dem Rücken zu tragen, das wären dann nämlich nur 6,5 Kilo und so minimalistisch bin ich dann doch nicht unterwegs.
Ich beschloss nach und nach alles was ich gerne mitnehmen möchte in einen großen Wäschekorb zu werfen, schließlich hatte ich ja noch genug Zeit und konnte später wieder aussortieren. Gesagt getan, im Korb waren am Ende 15 Kilo (inklusive 1l Wasser und Rucksack) das war dann doch etwas zu viel. Nach genauen abwägen kam ich dann auf etwa 10 Kilo, das war für mich in Ordnung (zur Packliste

 

 

Tag 1: Es kann los gehen

Es ist Nachts 03:00 Uhr und mein Wecker klingelt, endlich ist es soweit, der Tag meiner Anreise nach Spanien ist gekommen! Ich koche mir noch einen Kaffee und fahre sofort los in Richtung München.
Am Flughafen kann ich mich gut zurecht finden, er ist zwar sehr groß, aber auch recht übersichtlich aufgebaut. So kann ich leicht den Iberia-Schalter entdecken. Mit Entsetzen muss ich feststellen das die Schlange am Check-in nahezu ins Unendliche reicht.
Nachdem ich ca. 15 Minuten anstehe dringt auch zu uns weit hinten stehenden durch, das wohl das Iberia-System einen Totalausfall hat. Das bedeutet das die Mitarbeiter (die übrigens trotz des Chaos sehr freundlich und hilfsbereit sind) all ihre Aufgaben die sie sonst am PC erledigen, nun mit Stift und Zettel durchführen müssen... "back to the roots!"
Der Flug startet dann um ca. 08:00 Uhr mit einer halbstündigen Verspätung. So langsam beginne ich zu zweifeln ob ich meinen Zug nach Leon noch erwischen könnte. Aber ich habe Glück und steige nur zwei Minuten vor der Abfahrt am Bahnhof Madrid Chamartin zu.
Jetzt kann ich zum ersten Mal durchatmen und auf der etwa zweieinhalb Stunden dauernden Fahrt entspannen.
In Leon angekommen laufe ich direkt zu meinem Hostel. Ich habe das "Globetrotter Hostel" bereits von Zuhause aus vor gebucht, da ich befürchtete das es an einem Samstag wohl ziemlich voll in der Stadt wird (dies bestätigten mir später auch einige Mitpilger die an diesem Abend kein Bett mehr in der Stadt bekommen hatten). Die Unterkunft ist für diesen Preis völlig in Ordnung, jedes Bett hat seinen Vorhang zum Zuziehen und pro Person gibt es zwei Schränke zum verschließen. Aber das Beste daran ist die Lage! Direkt neben der Kathedrale in der Innenstadt; einfach klasse!
Ich sehe mich dann noch in der Stadt um und kaufe einige Lebensmittel ein.
Das ist dann aber auch genug für heute, so ein turbulenter Tag...

Tag 2: Leon - Villavante 32km

Um 06:00 Uhr früh wache ich auf, ist ja auch kein Wunder, ich bin ja gestern zeitig ins Bett gegangen. Ich mache mich fertig, da kommen gerade die letzten Spanier von ihrem Junggesellenabschied nach Hause. Sie sind zwar ziemlich betrunken, aber trotzdem nett.
Auch wenn der Weg aus Leon hinaus nicht sonderlich ansprechend ist, lassen sich die ersten zehn Kilometer leicht laufen. Ich habe mich für die Wegalternative über Villa de Mazarife entschieden, dort plane ich auch meine erste Übernachtung. Aber im Dorf angekommen sind alle drei Herbergen voll beziehungsweise reserviert; na toll, und sowas an meinem ersten Lauftag! Ich fühle mich wie Maria, nur ohne Josef und nicht schwanger!
Aber jammern hilft nichts, dann muss ich die zehn Kilometer bis zum nächsten Dorf eben auch noch laufen.
In Villavante finde ich dann in der einzigen Herberge "Santa Lucia" auch ein Bett. Ich verspeise mein Pilgermenü gemeinsam mit den drei Deutschen die ich dort kennenlerne und lege mich zeitig schlafen.

Tag 3: Villafante - Astorga 24 km

Es ist ca. 07:00 Uhr als ich los laufe, nach etwa fünf Kilometern komme ich nach Hospital de Obrigo, dort steht die bekannte Brücke mit den vielen Bögen. Auch wenn es ein sehr schönes Dorf ist, ziehe ich ohne Kaffeepause weiter.
Die Landschaft ist wunderschön und es liegen nur noch zwei kleine Dörfer auf dem Weg bis nach Astorga.
Als ich dort ankomme nehme ich gleich die erste Herberge "Siervas de Maria". Die Hospitalera führt mich zig Stufen (genau genommen 52 Stück, ich habe sie gezählt!) nach oben bis wir in der Dachkammer ankommen, dort steht mein Bett. Dafür ist es quasi fast wie ein Einzelzimmer, da lohnt sich schon der Anstieg.
Ich besichtige noch die schöne kleine Stadt; Bischoffspalast und Kathedrale sind schon beeindruckend.
Jetzt noch das übliche Ritual: einkaufen, essen und schlafen gehen.

 

Tag 4: Astorga - Rabanal del Camino 20 Kilometer

Am heutigen Tag wirkt die Natur entlang des Weges eher dürr, karg und vertrocknet. Vielleicht liegt es auch an den 30°C die das Thermometer zeigt.
Dafür sind die Bergdörfer durch die ich laufe einmalig schön.
In Rabanal gehe ich in die Herberge "Pilar", sie sieht sehr einladend und lebhaft aus. Im Schlafsaal herrschen beengte Zustände, 36 Betten in einem Raum, es stehen drei Duschen und zwei Toiletten zur Verfügung. Ich bekomme ein Bett oben. Das stellt für mich eine kleine Herausforderung dar, denn zum hoch klettern gibt es keine Leiter. Es sieht wohl ziemlich witzig aus wie ich mit meinen 1,60 Metern da hinauf steige.
Ich treffe wieder ein paar bekannte Mitpilger, wir trinken noch ein Bier und wünschen uns für den Nächsten Tag Bon Camino.

Tag 5: Rabanal del Camino - Molinaseca 26 Km

Dafür das 36 Personen in dem kleinen Raum geschlafen haben war es eine ruhige Nacht und ich kann ausgeruht los laufen. Es geht immer bergauf kein Wunder, ich soll heute auch den höchsten Punkt des französischen Jakobswegs erreichen, das Cruz de Ferro (1500 n.n.). Als nächstes kommt erstmal Foncebadon, hier wird fleißig gebaut, anscheinend erlebt das Dorf einen Aufschwung durch die vielen Pilger. Die Landschaft ist unbeschreiblich schön, alles blüht, duftet und die Höhenluft ist herrlich frisch.
Am Cruz angekommen ist ziemlich viel betrieb, ich lege den Stein ab, den ich von zu Hause mitgetragen habe. Aber irgendwie ist es nicht so emotional wie ich mir das vorstelle oder wie viele andere Pilger berichten.
Es ist 13:00 Uhr als ich in El Acebo ankomme, eigentlich habe ich geplant hier zu schlafen, aber weil es bisher so schön war, beschließe ich weiter zu laufen. Ich vergewissere mich in meinem Reiseführer, es sind noch sieben Kilometer bis Molinaseca. Wie es der Zufall so will, treffe ich eine Bekannte wieder und wir traben gemeinsam los. Bald wird der weg steil und sehr felsig, das geht ganz schön auf meine Knie. Also bei Regen möchte ich da nicht nach unten laufen. Endlich kommen wir in Molinaseca an und wir gönnen uns ein Einzelzimmer im "Hostal El Palacio". Kostet zwar 40 Euro, aber heute haben wir uns das wirklich verdient. Laut meines GPS Trackers bin ich 425 Meter aufgestiegen und 996 Meter abgestiegen.
Wir verspeisen noch ein köstliches Pilgermenü und gehen dann ins Bett.

Tag 6: Molinaseca - Cacabelos 23 Km

Anfangs laufe ich noch beschwingt vom gestrigen Tag los, aber es geht nur auf Asphalt weiter, nicht so toll, auserdem tun meine Füße weh. Ich komme in Ponferrada an. Die Templerburg ist sehr imposant, aber irgendwie gefällt es mir hier nicht so, vielleicht bin ich den vielen Trubel der Stadt nicht mehr gewohnt. Oder vielleicht habe ich auch zu viel erwartet.
Dannach wird es nicht besser, weiter geht´s auf geteerten Wegen. Das letzte Stück der Etappe wird dann wieder etwas schöner, ich laufe durch viele Weinberge. In Cacabelos halte ich an, ich habe einen richtigen Durchhänger... um meine Laune etwas zu bessern, gönne ich mir nochmal ein Einzelzimmer im "Hostal Santa Maria" aber es hilft nicht viel, mir reicht es für heute!

Tag 7: Cacabelos - Villafranca del Bierzo 11 Km

Weil das gestern irgendwie ein Reinfall war, beschließe ich den heutigen Tag ganz entspannt zu starten. Um 08:00 Uhr frühstücke ich erstmal im Hotel, eine Stunde später begebe ich mich dann auf den Weg. Bis Villafranca geht es durch Weingebiete und es lässt sich schön laufen, ich überlege kurz, ob ich noch weiter gehen soll, aber dann kommt als nächstes der Camino duro und ich wollte es heute ja gemütlich angehen.
In Villafranca suche ich die Albergue "St. Nicolas" im ehemaligen Kloster, Wegweiser führen mich in den Hinterhof, irgendwie sieht es hier nicht sonderlich einladend aus und ich entscheide mich doch wo anders zu nächtigen. Ich gehe in die Herberge "Leo" das war definitiv die richtige Wahl! Sie ist in einem urigen Steinhaus das wunderschön renoviert wurde und alles ist sehr sauber.
Ich laufe noch einmal durch die Stadt und lege mich dann mit einem Bier an den Fluss. Ich bin glücklich mit der Entscheidung nur ein kleines Stück zu laufen und dann zu entspannen.

Tag 8: Villafranca Del Bierzo - La Faba 26 Km

Die ersten zwei Stunden bereue ich ein wenig den Camino Duro gewählt zu haben denn es geht nur bergauf; dafür ist die Landschaft mal wieder bildschön. Ich wandere durch Kastanienwälder. Wenn ich meinen Blick links bergab wende, sehe ich die viel befahrene Straße an der alle laufen, die nicht den Duro gewählt haben; nicht sehr einladend. Ab Trabadelo muss ich dann leider auch wieder entlag dieser Straße laufen. 
Es ist sehr heiß, ich hatte nicht erwartet das es ende Mai in Spanien dauerhaft 30°C sind. Ab Las Herrerias (hier hat man die Möglichkeit in der berühmtesten Waschmaschine des Caminos seine Wäsche zu waschen ;-)) wird es sehr steil, schweißdurchnässt komme ich in La Faba an. Ich übernachte in der Herberge direkt neben der Kirche, sie trägt den einfallsreichen Namen "La Faba" und wird von einem Verein aus Stuttgart geführt. 
Das Pilgermenü gibt es in der anderen Herberge des Ortes, allerdings nur Vegetarisch. Ich werde davon satt, aber ein Stück Fleisch wäre mir lieber gewesen.
Heute freue ich mich besonders das ich ein unteres Bett bekommen habe, sonst werde ich meist nach oben geschickt da ich wohl eher unter dem Altersdurchschnitt der hier Nächtigenden liege.

Tag 9: La Faba - Triacastela 27 Km

Ich laufe - wie eigendlich jeden Tag - bergauf, so in etwa eine Stunde lang, dann erreiche ich die Grenze nach Galicien. Das nächste Dorf ist O Cebreiro, dort besichtige ich die Kirche, ein Pfarrer spendet drei Pilgern gerade den Segen. Ich setze mich in die Kirchenbank und beobachte sie, mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter, es ist eine rührende Zeremonie. Ich Opfere zwei Kerzen, studiere die Biebelsammlung in vielen verschieden Sprachen und sehe mir im anschluss den heiligen Kelch von Galizien näher an (Die Legende dazu habe ich vorher in meinem Reiseführer gelesen). Dann geht es weiter, ständig bergab und bergauf. Galizien kommt mir "grüner" vor als die Region Kastilien-Leon. Auf den Weiden stehen viele Kühe und Schafe; in den kleinen Dörfern spazieren die Hühner über die Straße. Ich laufe bis Triacastela und dort direkt in die öffentliche Galicische Herberge die sehr schön gelegen ist. Es stellt sich für mich aber eher als Reinfall heraus, ich schlafe mit drei Frauen in einer "Koje". Als ich den Raum mit einem freundlichen "Hola" betrete, deutet eine der Frauen nur auf das obere freie Bett und weist mir so wortlos den Weg. Ich fühle mich ein bisschen wie eine neu eingetroffene Insassin im Frauenknast... (Das war dann für meine Reise auch das letzte mal das ich in einer öffentlichen Herberge war)

Tag 10: Triacastela - Barbadelo 23 Km

Gestern abend habe ich mal wieder eine Bekannte getroffen, ich habe ihr zugestimmt als sie mich gefragt hat, ob wir heute gemeinsam laufen. Wir treffen uns um 07:15 Uhr an meiner Herberge. Wir hatten beide schlecht geschlafen, Nachts um 01:30 Uhr wurde nämlich scharf geschossen und zwar so scharf, das sogar mein Bett gewackelt hat, meine Mitpilgerin dachte schon es wäre vielleicht ein terroristischer Anschlag... im laufe des Tages stellte sich heraus das es Salut-Schüsse waren die wohl wegen der Europawahl abgefeuert wurden. In Spanien geht das, in Deutschland wäre da wohl gleich mal eine Hudnertschaft ausgerückt...
Heute ist der erste Tag an dem die Sonne nicht so stark scheint, es ist neblig und leicht windig, ich laufe sogar in meiner Fleecejacke.
Nach dreizehn Kilometern machen wir in einer Bar halt. Ich bestelle mir Kaffee, frisch gepressten O-Saft und eine Empanada, es schmeckt alles so gut!
Wir laufen zügig durch Sarria, denn die Stadt ist uns zu überlaufen, es sind nochmal sehr viele Pilger hinzu gekommen.
Unsere heutige Wanderung endet in der "Casa Barbadelo". 

 

Tag 11: Barbadelo - Poromarin 21 km

Heute bleibe ich länger in meinem Bett liegen. Ich warte bis alle unterwegs sind, denn heute möchte ich alleine Laufen, in meinem eigenen Tempo.
Es sind wieder sehr viele Pilger unterwegs und manche wirken auf mich ganz schön gehetzt, als würden sie ein Wettrennen von Bar zu Bar machen. Ich lasse mich davon nicht anstecken und schreite gemütlich aber stetig voran. Am 100-Kilometer-Stein halten sogar Reisebusse um dort Pilger abzuladen, später sieht man entlang des Weges immer wieder Kleinbusse die quasi als Lumpensammler diejenigen einsammeln die nicht mehr können.
Ich komme in Portomarin an und weil es schon wieder sehr heiß ist beschließe ich für heute nicht mehr weiter zu laufen.
In meinem Reiseführer lese ich von der Herberge "Ferramenteiro", dort steht das massenhaft Sanitäranlagen vorhanden sind; das hört sich für mich perfekt an! Als ich dort ankomme staune ich nicht schlecht, 160 Betten in einem Raum, so etwas habe ich noch nie gesehen. Aber die Sanitäranlagen scheinen trotzdem ausreichend zu sein. Als ich mein Bett zurecht mache wird es zunehmend lauter, ich stelle fest das gerade mehrere Schulklassen in die Herberge einmarschieren. Die Hospitalera verrät mir das es 64 Kinder mit 6 Betreuern sind;  puh das heute Nacht ja lustig werden.

Tag 12: Portomarin - Wegkreuzung 29 Km 

Ich habe auf meinem ganzen Weg noch nie so gut geschlafen wie heute Nacht! Das Bett war so herrlich bequem (die Matratzen waren auch ziemlich dick). Ausgeruht und gut gelaunt starte ich in den Tag. Es ist sehr viel los, Portomarin ist so ein typisches Etappenziel für "Kurzpilger" ich möchte heute weiter laufen um aus diesem Trott raus zu kommen. Nach Portomarin geht es nochmal bergauf, ich bin froh das ich gestern in der Hitze am Nachmittag nicht weiter gelaufen bin. Sonst verläuft der restliche Tag für mich unspektakulär. Durch Palas del Rei (dem nächsten typischen Etappenziel) laufe ich durch. In der nächsten Ortschaft war die kleine Herberge leider schon voll. Es ist schon wieder heiß, aber ich bin immernoch gut gelaunt und laufe einfach weiter. Da taucht aus dem Nichts mitten auf einer Wegkreuzung einfach ein kleines Hotel "La Pallota del Peregrino" auf. Einzelzimmer für 35 Euro steht draußen angeschrieben. Ich trete ein, die Frau am Tresen spricht nur spanisch und ich spreche kein spansich aber wir werden uns trotzdem einig, sie hat noch ein Zimmer für mich frei. Ich setze mich auf die Terasse und lasse den Tag bei einem Bier ausklingen. 

Tag 13: Wegkreuzung - A Calle 34 Km

Natürlich ist es heute wieder heiß  gemeldet, die Temperaturen sollen im Laufe des Tages auf über 30°C steigen. Wegen der Hitze beschließe ich so ca. alle fünf Kilometer eine Pause einzulegen; ich muss mich selbst nur immer wieder daran erinnern. Die nächste Stadt die kommt ist Melide, aber weil es noch früh am Morgen ist komme ich nicht in den Genuss den weithin bekannten Pulpo zu essen. Es folgen ein paar kleine Dörfer und dann die Stadt Arzúa, hier laufen der Camino Frances und der Camino Primitivo zusammen. Weil ich ja jetzt versuche größere Menschenansammlungen zu meiden, laufe ich weiter. Das bedeutet noch zehn Kilometer mehr. Es wird für mich zunehmend anstrengender und auch schon spät. Ziemlich erschöpft erreiche ich die Herberge "A Ponte de Ferreiros" in A Calle und bin überglücklich das sie noch ein Bett für mich frei haben. Ich treffe beim essen zwei Däninnen die ich vor ein Paar Tagen in La Faba kennen gelernt habe. Außerdem sitzen noch eine Spanierin und eine Israelin mit am Tisch. Es entwickelte sich ein sehr interessantes Gespräch mit einer Mischung aus deutsch, englisch und spanisch. Gleich nach dem Essen lege ich mich ins Bett, morgen wird ein großer Tag für mich, ich möchte in Santiago ankommen.

Tag 14: A Calle - Santiago de Compostela 33 km

Es ist 06:00 Uhr, als ich mich aus meinem Schlafsack schäle stelle ich fest, das ich die letzte in der Herberge bin. Naja, dann muss ich beim fertig machen wenigstens keine Rücksicht auf andere nehmen.
Nachdem ich fünfzehn Kilometer gelaufen bin mache ich die erste Pause in einer Bar; wie es der Zufall so will treffe ich die Däninnen von gestern wieder und wir trinken einen Kaffee gemeinsam. Die beiden laufen dann weiter, ich möchte noch etwas sitzen bleiben. Und wieder ein Zufall! Ich treffe zwei Deutsche wieder mit denen ich in Barbadelo zu Abend gegessen habe. Auch die beiden laufen nach einem Kaffee weiter, ich bleibe trotzdem noch sitzen und beobachte das treiben um mich herum.
Irgendwann bewege ich mich dann doch wieder fort. Die nächsten Kilometer laufen sich trotz des Wetters so unglaublich leicht wie noch nie auf dem Weg. Die Vorfreude steigt!
In Lavacolla treffe ich an einem Brunnen wieder die Deutschen. Jetzt reicht´s aber... Ab sofort laufen wir zusammen weiter. Auch sie haben sich zum Ziel gesetzt heute noch in Santiago anzukommen.
Wir kommen am Monte Gozo (dem Berg der Freude) vorbei, aber so richtige Freude will noch nicht aufkommen.
Endlich erreichen wir das Ortsschild von Santiago de Compostela, aber von der Kathedrale ist weit und breit nichts zu sehen. Zielstrebig laufen wir noch fast eine Stunde bis wir die Innenstadt erreichen.
Und plötzlich kann ich den Dudelsackspieler hören. Gänsehaut! Man läuft durch den Torbogen und da erscheint sie zu meiner linken. Die Kathedrale von Santiago de Compostela auf dem Praza do Obradoiro. Eine unbeschreibliche Freude...
Wir machen noch ein paar Fotos und dann trennen sich unsere Wege. Ich gehe für zwei Nächte in die Albergue "Roots & Boots". 
Nach einer Dusche hole ich mir die Urkunde im Pilgerbüro ab, die Schlange ist wirklich so lange wie alle immer gesagt haben. Aber überraschender Weise stehe ich nur 20 Minuten an. Als nächstes sehe ich mir die Kathedrale von innen an, leider ist dort Baustelle, der Altar ist eingerüstet, man kann aber im vorderen Teil der Kirche umher laufen. Wie es die Tradition will, laufe ich hinter dem Altar hoch und umarme die Jakobus-Statue dann führt der Weg unter den Altar zum Grab des heiligen Apostels. Ich bin so dankbar das ich hier angekommen bin.
Ich schlendere noch durch die Straßen, es stehen gerade überall Bühnen und diverse Bands spielen darauf, in der ganzen Stadt herrscht eine ausgelassene Stimmung. Super, da bekomme ich zur Feier des Tages auch noch ein Konzert, was will man mehr. 
Zum Tagebuch schreiben setze ich mich vor die Kathedrale und sehe zu, wie sie im Sonnenuntergang erstrahlt. Langsam wird es kalt und ich mache mich auf den Weg zurück in meine Herberge...

 

Tag 15: Santiago de Compostela

Morgens sehe ich mich bei einem Spaziergang in der Stadt um, die Altstadt ist sehr schön und verwinkelt. 
Später gehe ich zum Pilgergottesdienst. Er findet jeden Tag um 12:00 Uhr statt, da die Kathedrale ja momentan wegen Renovierungsarbeiten gesperrt ist, ist dieser in der Igrexa de San Francisco unweit der Kathedrale. Ich bin mit zwei Österreicherinnen die ich auf dem Weg dorthin kennen lerne 45 Minuten vor beginn dort, innerhalb kürzester Zeit ist die Kirche voll, viele der Pilger müssen stehen oder setzen sich einfach auf den Boden. 
Später gehen wir gemeinsam zum Mittagessen und einkaufen. Zufälligerweise übernachten wir alle in der selben Herberge und wir sitzen am Abend noch zusammen im Garten.
Leider muss ich mich aber dann doch von den Beiden verabschieden; ich möchte nämlich morgen weiter in Richtung Fisterra laufen. Schade, wir haben uns so gut unterhalten...

Tag 16: Santiago de Compostela - Vilaserio 34 Km

Es geht natürlich schon wieder bergauf, komisch, dabei laufe ich doch zum Meer... Ich habe heute die Wahl entweder 23 oder 34 Kilometer zu laufen, ich entscheide mich für den längeren Weg, das Wetter soll sich nämlich in den nächsten Tagen verschlechtern. Es ist schon jetzt beim Laufen nicht mehr so heiß wie vor Santiago. 
Die Leute wirken auf mich wieder besser gelaunt und nicht mehr so gehetzt, es sind nicht mehr so viele unterwegs und man unterhält sich öfters. 
Die Herberge "Casa Vella" ist total schön, eine renovierte Scheune. Die Besitzer sprechen ausschließlich spanisch, zum Glück ist wieder ein Gast anwesend der englisch und spanisch übersetzen kann und so erhalte ich eine Schlafgelegenheit und ein warmes Essen.
Ich lerne wieder einige Leute kennen (wie sich heraus stellt werden wir uns auf dem restlichen Weg noch öfters begegnen) Folgende Nationen speisen und nächtigen heute hier: Brasilien, Kroatien, Spanien, Österreich, Baskenland, Italien und natürlich Deutschland...

Tag 17: Vilaserio - Logoso 26 km

Als ich heute Morgen los laufe regnet es. Nach acht Kilometern setze ich mich dann erst mal in eine Bar und trinke Kaffee, ich halte mich dort länger auf als normal. Erst als der Regen langsam weniger wird gehe ich weiter.
Jetzt ist es nebelig, manchmal kann mann kaum die Hand vor Augen sehen, die Landschaft wirkte aber so auch schön, heute ist der erste Tag an dem ich den Regenüberzug über meinen Rucksack mache.
In Logoso entschließe ich mich für heute zu bleiben. Ich schlafe in der Albergue "O Logoso". Die quirlige Hospitalera zeigt mir mein Bett. Als ich frisch geduscht in die Bar zück komme, treffe ich den Basken und den Deutschen von gestern wieder außerdem gesellt sich noch eine Slowenin zu uns, wir unterhalten uns sehr gut und es ist noch ein schöner Abend...

Tag 18: Logoso - Fisterra 30 Km

Heute bin ich spät aufgestanden, macht aber nichts, denn so laufe ich wenigstens erst los als es aufhört zu regnen. Nach Logoso folgt noch ein kleines Dorf und dann laufe ich für die nächsten fünfzehn Kilometer durch die Natur. Kurz vor der nächsten Stadt Cee Treffe ich den Deutschen und die Slowenin von gestern wieder, wir kehren in ein Café ein und beschließen den restlichen Weg zusammen zu gehen.
Das Wetter ist sehr wechselhaft, mal regnet es und mal brennt die Sonne.
Als wir in Fisterra ankommen gehen wir gemeinsam in die Herberge "de Paz". 
Anstatt zum Leuchtturm zu laufen gehen wir zusammen an einen Strand um den Sonnenuntergang zu sehen. Kurz nachdem wir uns in den noch warmen Sand setzten, beginnt es zu tröpfeln und dann aus Eimern zu Schütten. Wir flüchten uns unter ein Steg, den Sonnenuntergang lassen wir uns deswegen ja nicht entgehen!

 

Tag 19: Fisterra - Kap Finisterre 3,5 Km

Mit neuen Reisebekanntschaften vom gestrigen Tag laufe ich zum Leuchtturm am Kap Finisterre. Die Küste hier ist rau und es ist schön sich einfach hin zu setzen, die Wellen zu beobachten und seien Reise nochmal revue passieren zu lassen... 
Es war eine anstregende Reise, es gab keinen Tag an dem ich mich nicht gefragt habe wieso ich das mache, aber ich habe so viele Menschen kennen lernen dürfen, mir sind so viele glückliche Zufälle passiert, ich habe wieder gelernt mich auch über die kleinen Dinge des Lebens zu freuen und ich habe die ganzen 414 Kilometer unbeschadet überstanden.

 

Epilog

Weil es am nächsten Tag in Finisterre regnet fahre ich mit dem Bus zurück nach Santiago, dort bleibe ich wieder in der Herberge "Roots & Boots". Ich besichtige die Stadt genauer und kaufe noch Souvenirs für zu Hause ein meine letzte Nacht verbringe ich in dem Hotel "Rua Villar". Luxus Pur! Ich habe das Hotel schon vor Reiseantritt gebucht um für die letzte Nacht ein sicheres Quartier zu haben. Im nachhinein hätte es nicht so viel Luxus sein müssen, aber naja...
Die Heimreise funktioniert problemlos. Ich fahre mit dem Bus zum Flughafen von Santiago, dort geht der Flieger nach Madrid, hier steige ich um in den Flieger der mich zurück nach München bringt.

 


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